Trotz aller Bemühungen sind Frauen heute in Spitzenpositionen noch unterrepräsentiert. Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht immer ohne Vorurteile zu diskutieren: Frauen bleiben häufiger zu Hause nach der Geburt der Kinder, sie verhandeln angeblich schlechter und trauen sich weniger zu. Einer der Hauptgründe scheint aber der Ausgangszustand zu sein: Im Moment dominieren Männer Vorstände und Aufsichtsräte von großen Unternehmen. Und sie bevorzugen als Nachfolger, richtig, Männer.
In 170 Jahren vielleicht
Laut einem Bericht des Weltwirtschaftsforums wird die „Gender Gap„, also Kluft zwischen Männern und Frauen in wirtschaftlichen Belangen, in ca. 170 Jahren geschlossen sein. Weltweit sieht es mit der Gleichberechtigung recht schlecht aus: 59% beträgt die Geschlechter-Kluft. Das bedeutet: Auf 100 Männer kommen nur 59 Frauen, welche die wirtschaftlich die gleichen Chancen haben wie ihr Gegenpart. In Deutschland liegt diese Kluft bei 76 Prozent. Die umstrittene Frauenquote in Deutschland hat rein statistisch übrigens ihren Zweck erfüllt: In mehr als der Hälfte aller DAX-notierten Unternehmen liegt der Frauenanteil bei 30 Prozent. Ob das als Erfolg zu zählen ist, bleibt fraglich: Heißt wirkliche Gleichberechtigung nicht auch, dass Frauen nicht bevorzugt behandelt werden sollen? Oder sind die Nachteile so groß, dass eine Quote gerechtfertigt erscheint? Vergleicht man Deutschland weltweit, stehen wir gut da: In den größten internationalen Unternehmen weltweit befinden sich weniger als 5 Prozent Frauen in Top Positions. Und: Je erfolgreicher und größer das Unternehmen, desto weniger Frauen finden sich in einer Führungsposition.
Es fängt schon bei der Bewerbung an
Nach Ausbildung oder Uni bewerben sich Männlein wie auch Weiblein auf die gleichen Jobs. Kinderplanung einmal ausgenommen – was verhindert, dass sich Frauen 20 Jahre später in der gleichen Position befinden, wie ihr männlicher Gegensatz? Häufig ist die Bewerbung schon ein Grund. Sie trauen sich nicht zu, die richtige Qualifikation für eine hohe Position zu haben. Der Fokus vieler Frauen liegt auf der optimalen Ausführung ihres Jobs, den sie gerade haben – nicht auf den Aufstieg auf die nächste Sprosse der Karriereleiter. Junge Bewerberinnen leiden außerdem immer noch unter der Annahme von Personalchefs, dass sie in ein paar Jahren sowieso eine Familie gründen und dann erst einmal zu Hause bleiben. Auch Frauen selbst denken so und oft ist es ihre Empathie, die dann verhindert, sich auf eine höhere Position zu bewerben: Sie möchten keine Belastung für das Unternehmen sein und stecken daher zurück.
Kind und Kegel
Der Umstand, dass Frauen heute noch zu über 90 Prozent diejenigen sind, die nach der Geburt des Nachwuchs zu Hause bleiben ist unumstößlich. Egal ob 6 Monate oder drei Jahre: Eine Pause im Job bedeutet meist Stillstand. Doch sollte man Frauen nun ermutigen, sofort wieder arbeiten zu gehen? Die Rufe nach Rabenmüttern wird dann gerne laut. Der richtige Ansatz ist wahrscheinlich ein gesellschaftliches Umdenken gepaart mit einer Verbesserung der Kinderbetreuungs-Strukturen: Ein halbes Jahr Pause im Job ist kein Weltuntergang und sollte Männern wie Frauen gegönnt sein. Auch nach einem Jahr Auszeit verlieren die wenigsten den Anschluss – warum also die Panik vor Schwangerschaften? Wenn kurze Pausen im Job eher als Normalzustand gelten, wird das „Mutter sein“ womöglich in Zukunft nicht mehr als Stopschild auf der Karriereleiter gesehen, sondern als normal. Die weitere Verbesserung von Kinderbetreuung inklusive flexiblen Zeiten und gut ausgebildetem und bezahltem Personal würde es außerdem leichter machen, Kinder und Job unter einen großen Hut zu bekommen. Übrigens: Eine Familie zu gründen wird bei Männern fast nie als Problem im Arbeitsleben gesehen. Auch Auszeiten, z. B. ein Sabbatjahr, dürfen bei den Herren der Schöpfung gerne vorkommen – Gleichberechtigung sieht anders aus.
Typisch weiblich
Frauen gelten als empathisch, zurückhaltend, schüchtern und nett. Klar, diese Eigenschaften treffen nicht auf jede zu. Betrachtet man aber die Gesellschaft als Ganzes, sind es diese Attribute, die verhindern, dass Frauen in Top Positions in großen Unternehmen aufsteigen. Die Lösung ist allerdings nicht, sich plötzlich eine Ellbogen-Mentalität zuzulegen, auch das kommt im Berufsleben nicht gut an (bei Männern natürlich schon….). Experten raten Frauen, sich auf ihre Stärken zu konzentrieren und weibliche Attribute nicht zu verstecken, sondern einzubringen. Das Paradox, dass Frauen weniger stressresistent seien, während sie mit Familie und Job jonglieren, kann so vielleicht ausgeräumt werden. doch auch die Herren sind gefragt: Sie sind, zumindest zur Zeit, die Entscheider in großen Unternehmen. Ändert sich ihre Einstellung nicht, können auch Frauenquoten und Ellbogen nichts an dem aktuellen Klima ändern.